Hydrated Nucleus Pulposus Extrusion (HNPE) ist eine spezielle Form des Bandscheibenvorfalls, bei der der gallertartige, noch hydratisierte Nucleus pulposus plötzlich mit hoher Geschwindigkeit in den Wirbelkanal ausgeschleudert wird. Dieser Prozess geschieht typischerweise im Rahmen einer akuten mechanischen Belastung, beispielsweise beim Spielen, oder Springen. Im Gegensatz zu klassischen Hansen Typ I oder Typ II Erkrankungen liegt bei HNPE keine vorangegangene Degeneration oder Mineralisierung der Bandscheibe vor. Da das extrudierte Material weich ist und sich entlang des Rückenmarks verteilt, kommt es in der Regel nicht zu einer relevanten mechanischen Kompression. Die neurologischen Ausfallserscheinungen entstehen primär durch die biomechanische Energie des Austritts und die damit verbundene Verletzung des Rückenmarks, nicht durch eine anhaltende Druckwirkung.

Klinisch präsentieren sich betroffene Tiere mit einem abrupten Beginn neurologischer Symptome, typischerweise in Form einer symmetrischen Tetraparese oder Paraparese- je nach Lokalisation der betroffenen Bandscheibe. Am häufigsten sind junge, aktive Hunde betroffen, wobei bisher keine spezifische Rassedisposition beschrieben wurde. Die typische Lokalisation bei Hunden ist die Halswirbelsäule, insbesondere im Bereich der mittleren bis kaudalen Zervikalregion (C3–C6).

Die Magnetresonanztomographie zeigt in den meisten Fällen eine homogene, T2-hyperintense, T1-isointense Läsion ventral des Rückenmarks, die sich entlang des Subarachnoidalraums ausbreitet. Der betroffene Zwischenwirbelraum ist oft leicht verschmälert, und das Volumen des Nucleus pulposus ist im Vergleich zu benachbarten Bandscheiben reduziert. Die extrudierte Masse verursacht typischerweise eine gering- bis nicht-kompressive Wirkung auf das Rückenmark. In Transversalbildern lässt sich häufig das sogenannte „Seagull sign“ erkennen, eine durch das mittige meningovertebrale Ligament verursachte Formveränderung der dorsalen Läsionsbegrenzung. Dieses Erscheinungsbild unterstützt die Diagnose von HNPE in der Bildgebung.

Die Prognose

Die Prognose von HNPE ist in den meisten Fällen günstig. Trotz der zu Beginn oft dramatischen klinischen Präsentation mit kompletter Inkoordination oder Lähmung, erholen sich viele Tiere unter konservativer Therapie vollständig oder weitgehend. Die Besserung der neurologischen Funktion erfolgt meist innerhalb von Tagen bis wenigen Wochen. Entscheidend für die Prognose ist weniger der Grad der initialen Lähmung als vielmehr die Geschwindigkeit der Stabilisierung oder Besserung. Eine chirurgische Intervention kann in Einzelfällen erforderlich sein, insbesondere wenn die neurologischen Ausfälle schwergradig sind oder sich innerhalb der ersten Stunden und Tage nach dem Ereignis nicht stabilisieren oder bessern. In den meisten Fällen erfolgt die Therapie symptomatisch mit Ruhe, Schmerzmanagement und gezielter Physiotherapie. Bei akuten Extrusionen, insbesondere im Bereich der Halswirbelsäule, sollte zudem auf das potenzielle Risiko von Atembeschwerden bis hin zu Atemstillstand hingewiesen werden.

Die aktuelle Literatur (De Decker et al., 2012; Granger et al., 2020) unterstützt die konservative Herangehensweise in Fällen ohne Myelokompression und hebt die Bedeutung einer exakten Bildgebung und differenzialdiagnostischen Abgrenzung hervor. HNPE sollte in die Liste möglicher Ursachen aufgenommen werden, wenn ein junger Hund mit akuter, Tetraparese vorgestellt wird.